ТВОРЧЕСТВО

ПОЗНАНИЕ

А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

« Dann schwieg er ein Weilchen. K. horchte, ob Leni nicht schon komme. Einerseits wollte er nicht, da? sie komme, denn er hatte noch vieles zu fragen und wollte auch nicht von Leni in diesem vertraulichen Gespr?ch mit dem Kaufmann angetroffen werden, andererseits aber ?rgerte er sich dar?ber, da? sie trotz seiner Anwesenheit so lange beim Advokaten blieb, viel l?nger, als zum Reichen der Suppe n?tig war. »Ich erinnere mich noch an die Zeit genau«, begann der Kaufmann wieder, und K. war gleich voll Aufmerksamkeit, »als mein Proze? etwa so alt war wie jetzt Ihr Proze?. Ich hatte damals nur diesen Advokaten, war aber nicht sehr mit ihm zufrieden.« Hier erfahre ich ja alles, dachte K. und nickte lebhaft mit dem Kopf, als k?nne er dadurch den Kaufmann aufmuntern, alles Wissenswerte zu sagen. »Mein Proze?«, fuhr der Kaufmann fort, »kam nicht vorw?rts, es fanden zwar Untersuchungen statt, ich kam auch zu jeder, sammelte Material, erlegte alle meine Gesch?ftsb?cher bei Gericht, was, wie ich sp?ter erfuhr, nicht einmal n?tig war, ich lief immer wieder zum Advokaten, er brachte auch verschiedene Eingaben ein –.« »Verschiedene Eingaben?« fragte K. »Ja, gewi?«, sagte der Kaufmann. »Das ist mir sehr wichtig«, sagte K., »in meinem Fall arbeitet er noch immer an der ersten Eingabe. Er hat noch nichts getan. Ich sehe jetzt, er vernachl?ssigt mich sch?ndlich.« »Da? die Eingabe noch nicht fertig ist, kann verschiedene berechtigte Gr?nde haben«, sagte der Kaufmann. »?brigens hatte es sich bei meinen Eingaben sp?ter gezeigt, da? sie ganz wertlos waren. Ich habe sogar eine durch das Entgegenkommen eines Gerichtsbeamten selbst gelesen. Sie war zwar gelehrt, aber eigentlich inhaltlos. Vor allem sehr viel Latein, das ich nicht verstehe, dann seitenlange allgemeine Anrufungen des Gerichtes, dann Schmeicheleien f?r einzelne bestimmte Beamte, die zwar nicht genannt waren, die aber ein Eingeweihter jedenfalls erraten mu?te, dann Selbstlob des Advokaten, wobei er sich auf geradezu h?ndische Weise vor dem Gericht dem?tigte, und endlich Untersuchungen von Rechtsf?llen aus alter Zeit, die dem meinigen ?hnlich sein sollten. Diese Untersuchungen waren allerdings, soweit ich ihnen folgen konnte, sehr sorgf?ltig gemacht. Ich will auch mit diesem allen kein Urteil ?ber die Arbeit des Advokaten abgeben, auch war die Eingabe, die ich gelesen habe, nur eine unter mehreren, jedenfalls aber, und davon will ich jetzt sprechen, konnte ich damals in meinem Proze? keinen Fortschritt sehen.« »Was f?r einen Fortschritt wollten Sie denn sehen?« fragte K. »Sie fragen ganz vern?nftig«, sagte der Kaufmann l?chelnd, »man kann in diesem Verfahren nur selten Fortschritte sehen. Aber damals wu?te ich das nicht. Ich bin Kaufmann und war es damals noch viel mehr als heute, ich wollte greifbare Fortschritte haben, das Ganze sollte sich zum Ende neigen oder wenigstens den regelrechten Aufstieg nehmen. Statt dessen gab es nur Einvernehmungen, die meist den gleichen Inhalt hatten; die Antworten hatte ich schon bereit wie eine Litanei; mehrmals in der Woche kamen Gerichtsboten in mein Gesch?ft, in meine Wohnung oder wo sie mich sonst antreffen konnten; das war nat?rlich st?rend (heute ist es wenigstens in dieser Hinsicht viel besser, der telephonische Anruf st?rt viel weniger), auch unter meinen Gesch?ftsfreunden, insbesondere aber unter meinen Verwandten, fingen Ger?chte von meinem Proze? sich zu verbreiten an, Sch?digungen gab es also von allen Seiten, aber nicht das geringste Anzeichen sprach daf?r, da? auch nur die erste Gerichtsverhandlung in der n?chsten Zeit stattfinden w?rde. Ich ging also zum Advokaten und beklagte mich. Er gab mir zwar lange Erkl?rungen, lehnte es aber entschieden ab, etwas in meinem Sinne zu tun, niemand habe Einflu? auf die Festsetzung der Verhandlung, in einer Eingabe darauf zu dringen – wie ich es verlangte –, sei einfach unerh?rt und w?rde mich und ihn verderben. Ich dachte: Was dieser Advokat nicht will oder kann, wird ein anderer wollen und k?nnen. Ich sah mich also nach anderen Advokaten um. Ich will es gleich vorwegnehmen: keiner hat die Festsetzung der Hauptverhandlung verlangt oder durchgesetzt, es ist, allerdings mit einem Vorbehalt, von dem ich noch sprechen werde, wirklich unm?glich, hinsichtlich dieses Punktes hat mich also dieser Advokat nicht get?uscht; im ?brigen aber hatte ich es nicht zu bedauern, mich noch an andere Advokaten gewendet zu haben. Sie d?rften wohl von Dr. Huld auch schon manches ?ber die Winkeladvokaten geh?rt haben, er hat sie Ihnen wahrscheinlich als sehr ver?chtlich dargestellt, und das sind sie wirklich. Allerdings unterl?uft ihm immer, wenn er von ihnen spricht und sich und seine Kollegen zu ihnen in Vergleich setzt, ein kleiner Fehler, auf den ich Sie ganz nebenbei auch aufmerksam machen will. Er nennt dann immer die Advokaten seines Kreises zur Unterscheidung die ›gro?en Advokaten‹. Das ist falsch, es kann sich nat?rlich jeder ›gro?‹ nennen, wenn es ihm beliebt, in diesem Fall aber entscheidet doch nur der Gerichtsgebrauch. Nach diesem gibt es n?mlich au?er den Winkeladvokaten noch kleine und gro?e Advokaten. Dieser Advokat und seine Kollegen sind jedoch nur die kleinen Advokaten, die gro?en Advokaten aber, von denen ich nur geh?rt und die ich nie gesehen habe, stehen im Rang unvergleichlich h?her ?ber den kleinen Advokaten als diese ?ber den verachteten Winkeladvokaten.« »Die gro?en Advokaten?« fragte K. »Wer sind denn die? Wie kommt man zu ihnen?« »Sie haben also noch nie von ihnen geh?rt«, sagte der Kaufmann. »Es gibt kaum einen Angeklagten, der nicht, nachdem er von ihnen erfahren hat, eine Zeitlang von ihnen tr?umen w?rde. Lassen Sie sich lieber nicht dazu verf?hren. Wer die gro?en Advokaten sind, wei? ich nicht, und zu ihnen kommen kann man wohl gar nicht. Ich kenne keinen Fall, von dem sich mit Bestimmtheit sagen lie?e, da? sie eingegriffen h?tten. Manchen verteidigen sie, aber durch eigenen Willen kann man das nicht erreichen, sie verteidigen nur den, den sie verteidigen wollen. Die Sache, deren sie sich annehmen, mu? aber wohl ?ber das niedrige Gericht schon hinausgekommen sein. Im ?brigen ist es besser, nicht an sie zu denken, denn sonst kommen einem die Besprechungen mit den anderen Advokaten, deren Ratschl?ge und deren Hilfeleistungen so widerlich und nutzlos vor, ich habe es selbst erfahren, da? man am liebsten alles wegwerfen, sich zu Hause ins Bett legen und von nichts mehr h?ren wollte. Das w?re aber nat?rlich wieder das D?mmste, auch h?tte man im Bett nicht lange Ruhe.« »Sie dachten damals also nicht an die gro?en Advokaten?« fragte K. »Nicht lange«, sagte der Kaufmann und l?chelte wieder, »vollst?ndig vergessen kann man sie leider nicht, besonders die Nacht ist solchen Gedanken g?nstig. Aber damals wollte ich ja sofortige Erfolge, ich ging daher zu den Winkeladvokaten.«
»Wie ihr hier beieinander sitzt!« rief Leni, die mit der Tasse zur?ckgekommen war und in der T?r stehenblieb. Sie sa?en wirklich eng beisammen, bei der kleinsten Wendung mu?ten sie mit den K?pfen aneinandersto?en, der Kaufmann, der, abgesehen von seiner Kleinheit, auch noch den R?cken gekr?mmt hielt, hatte K. gezwungen, sich auch tief zu b?cken, wenn er alles h?ren wollte. »Noch ein Weilchen!« rief K. Leni abwehrend zu und zuckte ungeduldig mit der Hand, die er noch immer auf des Kaufmanns Hand liegen hatte. »Er wollte, da? ich ihm von meinem Proze? erz?hle«, sagte der Kaufmann zu Leni. »Erz?hle nur, erz?hle«, sagte diese. Sie sprach mit dem Kaufmann liebevoll, aber doch auch herablassend, K. gefiel das nicht; wie er jetzt erkannt hatte, hatte der Mann doch einen gewissen Wert, zumindest hatte er Erfahrungen, die er gut mitzuteilen verstand. Leni beurteilte ihn wahrscheinlich unrichtig. Er sah ?rgerlich zu, als Leni jetzt dem Kaufmann die Kerze, die er die ganze Zeit ?ber festgehalten hatte, abnahm, ihm die Hand mit ihrer Sch?rze abwischte und dann neben ihm niederkniete, um etwas Wachs wegzukratzen, das von der Kerze auf seine Hose getropft war. »Sie wollten mir von den Winkeladvokaten erz?hlen«, sagte K. und schob, ohne eine weitere Bemerkung, Lenis Hand weg. »Was willst du denn?« fragte Leni, schlug leicht nach K. und setzte ihr Arbeit fort. »Ja, von den Winkeladvokaten«, sagte der Kaufmann und fuhr sich ?ber die Stirn, als denke er nach. K. wollte ihm nachhelfen und sagte: »Sie wollten sofortige Erfolge haben und gingen deshalb zu den Winkeladvokaten.« »Ganz richtig«, sagte der Kaufmann, setzte aber nicht fort. »Er will vielleicht vor Leni nicht davon sprechen«, dachte K., bezwang seine Ungeduld, das Weitere gleich jetzt zu h?ren, und drang nun nicht mehr weiter in ihn.
»Hast du mich angemeldet?« fragte er Leni. »Nat?rlich«, sagte diese, »er wartet auf dich. La? jetzt Block, mit Block kannst du auch sp?ter reden, er bleibt doch hier.« K. z?gerte noch. »Sie bleiben hier?« fragte er den Kaufmann, er wollte dessen eigene Antwort, er wollte nicht, da? Leni vom Kaufmann wie von einem Abwesenden sprach, er war heute gegen Leni voll geheimen ?rgers. Und wieder antwortete nur Leni: »Er schl?ft hier ?fters.« »Schl?ft hier?« rief K., er hatte gedacht, der Kaufmann werde hier nur auf ihn warten, w?hrend er die Unterredung mit dem Advokaten rasch erledigen w?rde, dann aber w?rden sie gemeinsam fortgehen und alles gr?ndlich und ungest?rt besprechen. »Ja«, sagte Leni, »nicht jeder wird wie du, Josef, zu beliebiger Stunde beim Advokaten vorgelassen. Du scheinst dich ja gar nicht dar?ber zu wundern, da? dich der Advokat trotz seiner Krankheit noch um elf Uhr nachts empf?ngt. Du nimmst das, was deine Freunde f?r dich tun, doch als gar zu selbstverst?ndlich an. Nun, deine Freunde oder zumindest ich, tun es gerne. Ich will keinen anderen Dank und brauche auch keinen anderen, als da? du mich liebhast.« »Dich liebhaben?« dachte K. im ersten Augenblick, erst dann ging es ihm durch den Kopf: »Nun ja, ich habe sie lieb.« Trotzdem sagte er, alles andere vernachl?ssigend: »Er empf?ngt mich, weil ich sein Klient bin. Wenn auch daf?r noch fremde Hilfe n?tig w?re, m??te man bei jedem Schritt immer gleichzeitig betteln und danken.« »Wie schlimm er heute ist, nicht?« fragte Leni den Kaufmann. »Jetzt bin ich der Abwesende«, dachte K. und wurde fast sogar auf den Kaufmann b?se, als dieser, die Unh?flichkeit Lenis ?bernehmend, sagte: »Der Advokat empf?ngt ihn auch noch aus anderen Gr?nden. Sein Fall ist n?mlich interessanter als der meine. Au?erdem aber ist sein Proze? in den Anf?ngen, also wahrscheinlich noch nicht sehr verfahren, da besch?ftigt sich der Advokat noch gern mit ihm. Sp?ter wird das anders werden.« »Ja, ja«, sagte Leni und sah den Kaufmann lachend an, »wie er schwatzt! Ihm darfst du n?mlich«, hierbei wandte sie sich an K., »gar nichts glauben. So lieb er ist, so geschw?tzig ist er. Vielleicht mag ihn der Advokat auch deshalb nicht leiden, Jedenfalls empf?ngt er ihn nur, wenn er in Laune ist. Ich habe mir schon viel M?he gegeben, das zu ?ndern, aber es ist unm?glich. Denke nur, manchmal melde ich Block an, er empf?ngt ihn aber erst am dritten Tag nachher. Ist Block aber zu der Zeit, wenn er vorgerufen wird, nicht zur Stelle, so ist alles verloren und er mu? von neuem angemeldet werden. Deshalb habe ich Block erlaubt, hier zu schlafen, es ist ja schon vorgekommen, da? er in der Nacht um ihn gel?utet hat. Jetzt ist also Block auch in der Nacht bereit. Allerdings geschieht es jetzt wieder, da? der Advokat, wenn es sich zeigt, da? Block da ist, seinen Auftrag, ihn vorzulassen, manchmal widerruft.« K. sah fragend zum Kaufmann hin. Dieser nickte und sagte, so offen wie er fr?her mit K. gesprochen hatte, vielleicht war er zerstreut vor Besch?mung: »Ja, man wird sp?ter sehr abh?ngig von seinem Advokaten.« »Er klagt ja nur zum Schein«, sagte Leni. »Er schl?ft ja hier sehr gern, wie er mir schon oft gestanden hat.« Sie ging zu einer kleinen T?r und stie? sie auf. »Willst du sein Schlafzimmer sehen?
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