ТВОРЧЕСТВО

ПОЗНАНИЕ

А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

« fragte sie. K. ging hin und sah von der Schwelle aus in den niedrigen fensterlosen Raum, der von einem schmalen Bett vollst?ndig ausgef?llt war. In dieses Bett mu?te man ?ber den Bettpfosten steigen. Am Kopfende des Bettes war eine Vertiefung in der Mauer, dort standen, peinlich geordnet, eine Kerze, Tintenfa? und Feder sowie ein B?ndel Papiere, wahrscheinlich Proze?schriften. »Sie schlafen im Dienstm?dchenzimmer?« fragte K. und wendete sich zum Kaufmann zur?ck. »Leni hat es mir einger?umt«, antwortete der Kaufmann, »es ist sehr vorteilhaft.« K. sah ihn lange an; der erste Eindruck, den er von dem Kaufmann erhalten hatte, war vielleicht doch der richtige gewesen; Erfahrungen hatte er, denn sein Proze? dauerte schon lange, aber er hatte diese Erfahrungen teuer bezahlt. Pl?tzlich ertrug K. den Anblick des Kaufmanns nicht mehr. »Bring ihn doch ins Bett!« rief er Leni zu, die ihn gar nicht zu verstehen schien. Er selbst aber wollte zum Advokaten gehen und durch die K?ndigung sich nicht nur vom Advokaten, sondern auch von Leni und dem Kaufmann befreien. Aber noch ehe er zur T?r gekommen war, sprach ihn der Kaufmann mit leiser Stimme an: »Herr Prokurist«, K. wandte sich mit b?sem Gesicht um. »Sie haben Ihr Versprechen vergessen«, sagte der Kaufmann und streckte sich von seinem Sitz aus bittend K. entgegen. »Sie wollten mir noch ein Geheimnis sagen.« »Wahrhaftig«, sagte K. und streifte auch Leni, die ihn aufmerksam ansah, mit einem Blick, »also h?ren Sie: es ist allerdings fast kein Geheimnis mehr. Ich gehe jetzt zum Advokaten, um ihn zu entlassen.« »Er entl??t ihn!« rief der Kaufmann, sprang vom Sessel und lief mit erhobenen Armen in der K?che umher. Immer wieder rief er: »Er entl??t den Advokaten!« Leni wollte gleich auf K. losfahren, aber der Kaufmann kam ihr in den Weg, wof?r sie ihm mit den F?usten einen Hieb gab. Noch mit den zu F?usten geballten H?nden lief sie dann hinter K., der aber einen gro?en Vorsprung hatte. Er war schon in das Zimmer des Advokaten eingetreten, als ihn Leni einholte. Die T?r hatte er hinter sich fast geschlossen, aber Leni, die mit dem Fu? den T?rfl?gel offenhielt, fa?te ihn beim Arm und wollte ihn zur?ckziehen. Aber er dr?ckte ihr Handgelenk so stark, da? sie unter einem Seufzer ihn loslassen mu?te. Ins Zimmer einzutreten, wagte sie nicht gleich, K. aber versperrte die T?r mit dem Schl?ssel.
»Ich warte schon sehr lange auf Sie«, sagte der Advokat vom Bett aus, legte ein Schriftst?ck, das er beim Licht einer Kerze gelesen hatte, auf das Nachttischchen und setzte sich eine Brille auf, mit der er K. scharf ansah. Statt sich zu entschuldigen, sagte K.: »Ich gehe bald wieder weg.« Der Advokat hatte K.s Bemerkung, weil sie keine Entschuldigung war, unbeachtet gelassen und sagte: »Ich werde Sie n?chstens zu dieser sp?ten Stunde nicht mehr vorlassen.« »Das kommt meinem Anliegen entgegen«, sagte K. Der Advokat sah ihn fragend an. »Setzen Sie sich«, sagte er. »Weil Sie es w?nschen«, sagte K., zog einen Sessel zum Nachttischchen und setzte sich. »Es schien mir, da? Sie die T?r abgesperrt haben«, sagte der Advokat. »Ja«, sagte K., »es war Lenis wegen.« Er hatte nicht die Absicht, irgend jemanden zu schonen. Aber der Advokat fragte: »War sie wieder zudringlich?« »Zudringlich?« fragte K. »Ja«, sagte der Advokat, er lachte dabei, bekam einen Hustenanfall und begann, nachdem dieser vergangen war, wieder zu lachen. »Sie haben doch wohl ihre Zudringlichkeit schon bemerkt?« fragte er und klopfte K. auf die Hand, die dieser zerstreut auf das Nachttischchen gest?tzt hatte und die er jetzt rasch zur?ckzog. »Sie legen dem nicht viel Bedeutung bei«, sagte der Advokat, als K. schwieg, »desto besser. Sonst h?tte ich mich vielleicht bei Ihnen entschuldigen m?ssen. Es ist eine Sonderbarkeit Lenis, die ich ihr ?brigens l?ngst verziehen habe und von der ich auch nicht reden w?rde, wenn Sie nicht eben jetzt die T?r abgesperrt h?tten. Diese Sonderbarkeit, Ihnen allerdings m??te ich sie wohl am wenigsten erkl?ren, aber Sie sehen mich so best?rzt an und deshalb tue ich es, diese Sonderbarkeit besteht darin, da? Leni die meisten Angeklagten sch?n findet. Sie h?ngt sich an alle, liebt alle, scheint allerdings auch von allen geliebt zu werden; um mich zu unterhalten, erz?hlt sie mir dann, wenn ich es erlaube, manchmal davon. Ich bin ?ber das Ganze nicht so erstaunt, wie Sie es zu sein scheinen. Wenn man den richtigen Blick daf?r hat, findet man die Angeklagten wirklich oft sch?n. Das allerdings ist eine merkw?rdige, gewisserma?en naturwissenschaftliche Erscheinung. Es tritt nat?rlich als Folge der Anklage nicht etwa eine deutliche, genau zu bestimmende Ver?nderung des Aussehens ein. Es ist doch nicht wie bei anderen Gerichtssachen, die meisten bleiben in ihrer gew?hnlichen Lebensweise und werden, wenn sie einen guten Advokaten haben, der f?r sie sorgt, durch den Proze? nicht behindert. Trotzdem sind diejenigen, welche darin Erfahrung haben, imstande, aus der gr??ten Menge die Angeklagten, Mann f?r Mann, zu erkennen. Woran? werden Sie fragen. Meine Antwort wird Sie nicht befriedigen. Die Angeklagten sind eben die Sch?nsten. Es kann nicht die Schuld sein, die sie sch?n macht, denn – so mu? wenigstens ich als Advokat sprechen – es sind doch nicht alle schuldig, es kann auch nicht die richtige Strafe sein, die sie jetzt schon sch?n macht, denn es werden doch nicht alle bestraft, es kann also nur an dem gegen sie erhobenen Verfahren liegen, das ihnen irgendwie anhaftet. Allerdings gibt es unter den Sch?nen auch besonders sch?ne. Sch?n sind aber alle, selbst Block, dieser elende Wurm.«
K. war, als der Advokat geendet hatte, vollst?ndig gefa?t, er hatte sogar zu den letzten Worten auffallend genickt und sich so selbst die Best?tigung seiner alten Ansicht gegeben, nach welcher der Advokat ihn immer und so auch diesmal durch allgemeine Mitteilungen, die nicht zur Sache geh?rten, zu zerstreuen und von der Hauptfrage, was er an tats?chlicher Arbeit f?r K.s Sache getan hatte, abzulenken suchte. Der Advokat merkte wohl, da? ihm K. diesmal mehr Widerstand leistete als sonst, denn er verstummte jetzt, um K. die M?glichkeit zu geben, selbst zu sprechen, und fragte dann, da K. stumm blieb: »Sind Sie heute mit einer bestimmten Absicht zu mir gekommen?« »Ja«, sagte K. und blendete mit der Hand ein wenig die Kerze ab, um den Advokaten besser zu sehen, »ich wollte Ihnen sagen, da? ich Ihnen mit dem heutigen Tage meine Vertretung entziehe.« »Verstehe ich Sie recht?« fragte der Advokat, erhob sich halb im Bett und st?tzte sich mit einer Hand auf die Kissen. »Ich nehme es an«, sagte K., der straff aufgerichtet, wie auf der Lauer, dasa?. »Nun, wir k?nnen ja auch diesen Plan besprechen«, sagte der Advokat nach einem Weilchen. »Es ist kein Plan mehr«, sagte K. »Mag sein«, sagte der Advokat, »wir wollen aber trotzdem nichts ?bereilen.« Er gebrauchte das Wort »wir«, als habe er nicht die Absicht, K. freizulassen, und als wolle er, wenn er schon nicht sein Vertreter sein d?rfte, wenigstens sein Berater bleiben. »Es ist nicht ?bereilt«, sagte K., stand langsam auf und trat hinter seinen Sessel, »es ist gut ?berlegt und vielleicht sogar zu lange. Der Entschlu? ist endg?ltig.« »Dann erlauben Sie mir nur noch einige Worte«, sagte der Advokat, hob das Federbett weg und setzte sich auf den Bettrand. Seine nackten, wei?haarigen Beine zitterten vor K?lte. Er bat K., ihm vom Kanapee eine Decke zu reichen. K. holte die Decke und sagte: »Sie setzten sich ganz unn?tig einer Verk?hlung aus.« »Der Anla? ist wichtig genug«, sagte der Advokat, w?hrend er mit dem Federbett den Oberk?rper umh?llte und dann die Beine in die Decke einwickelte. »Ihr Onkel ist mein Freund, und auch Sie sind mir im Laufe der Zeit lieb geworden. Ich gestehe das offen ein. Ich brauche mich dessen nicht zu sch?men.« Diese r?hrseligen Reden des alten Mannes waren K. sehr unwillkommen, denn sie zwangen ihn zu einer ausf?hrlicheren Erkl?rung, die er gern vermieden h?tte, und sie beirrten ihn au?erdem, wie er sich offen eingestand, wenn sie allerdings auch seinen Entschlu? niemals r?ckg?ngig machen konnten. »Ich danke Ihnen f?r Ihre freundliche Gesinnung«, sagte er, »ich erkenne auch an, da? Sie sich meiner Sache so sehr angenommen haben, wie es Ihnen m?glich ist und wie es Ihnen f?r mich vorteilhaft scheint. Ich jedoch habe in der letzten Zeit die ?berzeugung gewonnen, da? das nicht gen?gend ist. Ich werde nat?rlich niemals versuchen, Sie, einen soviel ?lteren und erfahreneren Mann, von meiner Ansicht ?berzeugen zu wollen; wenn ich es manchmal unwillk?rlich versucht habe, so verzeihen Sie mir, die Sache aber ist, wie Sie sich selbst ausdr?ckten, wichtig genug, und es ist meiner ?berzeugung nach notwendig, viel kr?ftiger in den Proze? einzugreifen, als es bisher geschehen ist.« »Ich verstehe Sie«, sagte der Advokat, »Sie sind ungeduldig.« »Ich bin nicht ungeduldig«, sagte K. ein wenig gereizt und achtete nicht mehr soviel auf seine Worte. »Sie d?rften bei meinem ersten Besuch, als ich mit meinem Onkel zu Ihnen kam, bemerkt haben, da? mir an dem Proze? nicht viel lag, wenn man mich nicht gewisserma?en gewaltsam an ihn erinnerte, verga? ich ihn vollst?ndig. Aber mein Onkel bestand darauf, da? ich Ihnen meine Vertretung ?bergebe, ich tat es, um ihm gef?llig zu sein. Und nun h?tte man doch erwarten sollen, da? mir der Proze? noch leichter fallen w?rde als bis dahin, denn man ?bergibt doch dem Advokaten die Vertretung, um die Last des Prozesses ein wenig von sich abzuw?lzen. Es geschah aber das Gegenteil. Niemals fr?her hatte ich so gro?e Sorgen wegen des Prozesses wie seit der Zeit, seitdem Sie mich vertreten. Als ich allein war, unternahm ich nichts in meiner Sache, aber ich f?hlte es kaum, jetzt dagegen hatte ich einen Vertreter, alles war daf?r eingerichtet, da? etwas geschehe, unaufh?rlich und immer gespannter erwartete ich Ihr Eingreifen, aber es blieb aus. Ich bekam von Ihnen allerdings verschiedene Mitteilungen ?ber das Gericht, die ich vielleicht von niemandem sonst h?tte bekommen k?nnen. Aber das kann mir nicht gen?gen, wenn mir jetzt der Proze?, f?rmlich im geheimen, immer n?her an den Leib r?ckt.« K. hatte den Sessel von sich gesto?en und stand, die H?nde in den Rocktaschen, aufrecht da. »Von einem gewissen Zeitpunkt der Praxis an«, sagte der Advokat leise und ruhig, »ereignet sich nichts wesentlich Neues mehr. Wie viele Parteien sind in ?hnlichen Stadien der Prozesse ?hnlich wie Sie vor mir gestanden und haben ?hnlich gesprochen!« »Dann haben«, sagte K., »alle diese ?hnlichen Parteien ebenso recht gehabt wie ich. Das widerlegt mich gar nicht.« »Ich wollte Sie damit nicht widerlegen«, sagte der Advokat, »ich wollte aber noch hinzuf?gen, da? ich bei Ihnen mehr Urteilskraft erwartet h?tte als bei den anderen, besonders da ich Ihnen mehr Einblick in das Gerichtswesen und in meine T?tigkeit gegeben habe, als ich es sonst Parteien gegen?ber tue. Und nun mu? ich sehen, da? Sie trotz allem nicht gen?gend Vertrauen zu mir haben. Sie machen es mir nicht leicht.« Wie sich der Advokat vor K. dem?tigte! Ohne jede R?cksicht auf die Standesehre, die gewi? gerade in diesem Punkte am empfindlichsten ist. Und warum tat er das? Er war doch dem Anschein nach ein vielbesch?ftigter Advokat und ?berdies ein reicher Mann, es konnte ihm an und f?r sich weder an dem Verdienstentgang noch an dem Verlust eines Klienten viel liegen. Au?erdem war er kr?nklich und h?tte selbst darauf bedacht sein sollen, da? ihm Arbeit abgenommen werde. Und trotzdem hielt er K. so fest! Warum? War es pers?nliche Anteilnahme f?r den Onkel oder sah er K.s Proze? wirklich f?r so au?erordentlich an und hoffte, sich darin auszuzeichnen, entweder f?r K. oder – diese M?glichkeit war eben niemals auszuschlie?en – f?r die Freunde beim Gericht? An ihm selbst war nichts zu erkennen, so r?cksichtslos ihn auch K. ansah. Man h?tte fast annehmen k?nnen, er warte mit absichtlich verschlossener Miene die Wirkung seiner Worte ab.
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