ТВОРЧЕСТВО

ПОЗНАНИЕ

А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  AZ

 

»Es gibt noch gewisse M?glichkeiten, die ich nicht ausgen?tzt habe.« »Du suchst zuviel fremde Hilfe«, sagte der Geistliche mi?billigend, »und besonders bei Frauen. Merkst du denn nicht, da? es nicht die wahre Hilfe ist?« »Manchmal und sogar oft k?nnte ich dir recht geben«, sagte K., »aber nicht immer. Die Frauen haben eine gro?e Macht. Wenn ich einige Frauen, die ich kenne, dazu bewegen k?nnte, gemeinschaftlich f?r mich zu arbeiten, m??te ich durchdringen. Besonders bei diesem Gericht, das fast nur aus Frauenj?gern besteht. Zeig dem Untersuchungsrichter eine Frau aus der Ferne, und er ?berrennt, um nur rechtzeitig hinzukommen, den Gerichtstisch und den Angeklagten.« Der Geistliche neigte den Kopf zur Br?stung, jetzt erst schien die ?berdachung der Kanzel ihn niederzudr?cken. Was f?r ein Unwetter mochte drau?en sein? Das war kein tr?ber Tag mehr, das war schon tiefe Nacht. Keine Glasmalerei der gro?en Fenster war imstande, die dunkle Wand auch nur mit einem Schimmer zu unterbrechen. Und gerade jetzt begann der Kirchendiener, die Kerzen auf dem Hauptaltar, eine nach der anderen, auszul?schen. »Bist du mir b?se?« fragte K. den Geistlichen. »Du wei?t vielleicht nicht, was f?r einem Gericht du dienst.« Er bekam keine Antwort. »Es sind doch nur meine Erfahrungen«, sagte K. Oben blieb es noch immer still. »Ich wollte dich nicht beleidigen«, sagte K. Da schrie der Geistliche zu K. hinunter: »Siehst du denn nicht zwei Schritte weit?« Es war im Zorn geschrien, aber gleichzeitig wie von einem, der jemanden fallen sieht und, weil er selbst erschrocken ist, unvorsichtig, ohne Willen schreit.
Nun schwiegen beide lange. Gewi? konnte der Geistliche in dem Dunkel, das unten herrschte, K. nicht genau erkennen, w?hrend K. den Geistlichen im Licht der kleinen Lampe deutlich sah. Warum kam der Geistliche nicht herunter? Eine Predigt hatte er ja nicht gehalten, sondern K. nur einige Mitteilungen gemacht, die ihm, wenn er sie genau beachtete, wahrscheinlich mehr schaden als n?tzen w?rden. Wohl aber schien K. die gute Absicht des Geistlichen zweifellos zu sein, es war nicht unm?glich, da? er sich mit ihm, wenn er herunterk?me, einigen w?rde, es war nicht unm?glich, da? er von ihm einen entscheidenden und annehmbaren Rat bek?me, der ihm zum Beispiel zeigen w?rde, nicht etwa wie der Proze? zu beeinflussen war, sondern wie man aus dem Proze? ausbrechen, wie man ihn umgehen, wie man au?erhalb des Prozesses leben k?nnte. Diese M?glichkeit mu?te bestehen, K. hatte in der letzten Zeit ?fters an sie gedacht. Wu?te aber der Geistliche eine solche M?glichkeit, w?rde er sie vielleicht, wenn man ihn darum bat, verraten, obwohl er selbst zum Gerichte geh?rte und obwohl er, als K. das Gericht angegriffen hatte, sein sanftes Wesen unterdr?ckt und K. sogar angeschrien hatte.
»Willst du nicht herunterkommen?« sagte K. »Es ist doch keine Predigt zu halten. Komm zu mir herunter.« »Jetzt kann ich schon kommen«, sagte der Geistliche, er bereute vielleicht sein Schreien. W?hrend er die Lampe von ihrem Haken l?ste, sagte er: »Ich mu?te zuerst aus der Entfernung mit dir sprechen. Ich lasse mich sonst zu leicht beeinflussen und vergesse meinen Dienst.«
K. erwartete ihn unten an der Treppe. Der Geistliche streckte ihm schon von einer oberen Stufe im Hinuntergehen die Hand entgegen. »Hast du ein wenig Zeit f?r mich?« fragte K. »Soviel Zeit, als du brauchst«, sagte der Geistliche und reichte K. die kleine Lampe, damit er sie trage. Auch in der N?he verlor sich eine gewisse Feierlichkeit aus seinem Wesen nicht. »Du bist sehr freundlich zu mir«, sagte K., sie gingen nebeneinander im dunklen Seitenschiff auf und ab. »Du bist eine Ausnahme unter allen, die zum Gericht geh?ren. Ich habe mehr Vertrauen zu dir als zu irgend jemandem von ihnen, so viele ich schon kenne. Mit dir kann ich offen reden.« »T?usche dich nicht«, sagte der Geistliche. »Worin sollte ich mich denn t?uschen?« fragte K. »In dem Gericht t?uschst du dich«, sagte der Geistliche, »in den einleitenden Schriften zum Gesetz hei?t es von dieser T?uschung: Vor dem Gesetz steht ein T?rh?ter. Zu diesem T?rh?ter kommt ein Mann vom Lande und bittet um Eintritt in das Gesetz. Aber der T?rh?ter sagt, da? er ihm jetzt den Eintritt nicht gew?hren k?nne. Der Mann ?berlegt und fragt dann, ob er also sp?ter werde eintreten d?rfen. ›Es ist m?glich‹, sagt der T?rh?ter, ›jetzt aber nicht‹. Da das Tor zum Gesetz offensteht wie immer und der T?rh?ter beiseite tritt, b?ckt sich der Mann, um durch das Tor in das Innere zu sehen. Als der T?rh?ter das merkt, lacht er und sagt: ›Wenn es dich so lockt, versuche es doch, trotz meinem Verbot hineinzugehen. Merke aber: Ich bin m?chtig. Und ich bin nur der unterste T?rh?ter. Von Saal zu Saal stehen aber T?rh?ter, einer m?chtiger als der andere. Schon den Anblick des dritten kann nicht einmal ich mehr vertragen.‹ Solche Schwierigkeiten hat der Mann vom Lande nicht erwartet, das Gesetz soll doch jedem und immer zug?nglich sein, denkt er, aber als er jetzt den T?rh?ter in seinem Pelzmantel genauer ansieht, seine gro?e Spitznase, den langen, d?nnen, schwarzen, tartarischen Bart, entschlie?t er sich doch, lieber zu warten, bis er die Erlaubnis zum Eintritt bekommt. Der T?rh?ter gibt ihm einen Schemel und l??t ihn seitw?rts von der T?r sich niedersetzen. Dort sitzt er Tage und Jahre. Er macht viele Versuche, eingelassen zu werden und erm?det den T?rh?ter durch seine Bitten. Der T?rh?ter stellt ?fters kleine Verh?re mit ihm an, fragte ihn nach seiner Heimat aus und nach vielem anderen, es sind aber teilnahmslose Fragen, wie sie gro?e Herren stellen, und zum Schlusse sagte er ihm immer wieder, da? er ihn noch nicht einlassen k?nne. Der Mann, der sich f?r seine Reise mit vielem ausger?stet hat, verwendet alles, und sei es noch so wertvoll, um den T?rh?ter zu bestechen. Dieser nimmt zwar alles an, aber sagt dabei: ›Ich nehme es nur an, damit du nicht glaubst, etwas vers?umt zu haben.‹ W?hrend der vielen Jahre beobachtete der Mann den T?rh?ter fast ununterbrochen. Er vergi?t die anderen T?rh?ter, und dieser erste scheint ihm das einzige Hindernis f?r den Eintritt in das Gesetz. Er verflucht den ungl?cklichen Zufall in den ersten Jahren laut, sp?ter, als er alt wird, brummt er nur noch vor sich hin. Er wird kindisch, und da er in dem jahrelangen Studium des T?rh?ters auch die Fl?he in seinem Pelzkragen erkannt hat, bittet er auch die Fl?he, ihm zu helfen und den T?rh?ter umzustimmen. Schlie?lich wird sein Augenlicht schwach, und er wei? nicht, ob es um ihn wirklich dunkler wird oder ob ihn nur die Augen t?uschen. Wohl aber erkennt er jetzt im Dunkel einen Glanz, der unverl?schlich aus der T?re des Gesetzes bricht. Nun lebt er nicht mehr lange. Vor seinem Tode sammeln sich in seinem Kopfe alle Erfahrungen ter ganzen Zeit zu einer Frage, die er bisher an den T?rh?ter noch nicht gestellt hat. Er winkt ihm zu, da er seinen erstarrenden K?rper nicht mehr aufrichten kann. Der T?rh?ter mu? sich tief zu ihm hinuntemeigen, denn die Gr??enunterschiede haben sich sehr zuungunsten des Mannes ver?ndert. ›Was willst du denn jetzt noch wissen?‹ fragt der T?rh?ter, ›du bist uners?ttlich.‹ ›Alle streben doch nach dem Gesetz‹, sagt der Mann, ›wie kommt es, da? in den vielen Jahren niemand au?er mir Einla? verlangt hat?‹ Der T?rh?ter erkennt, da? der Mann schon am Ende ist, und um sein vergehendes Geh?r noch zu erreichen, br?llt er ihn an: ›Hier konnte niemand sonst Einla? erhalten, denn dieser Eingang war nur f?r dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schlie?e ihn.‹«
»Der T?rh?ter hat also den Mann get?uscht«, sagte K. sofort, von der Geschichte sehr stark angezogen. »Sei nicht ?bereilt«, sagte der Geistliche, »?bernimm nicht die fremde Meinung ungepr?ft. Ich habe dir die Geschichte im Wortlaut der Schrift erz?hlt. Von T?uschung steht darin nichts.« »Es ist aber klar«, sagte K., »und deine erste Deutung war ganz richtig. Der T?rh?ter hat die erl?sende Mitteilung erst dann gemacht, als sie dem Manne nicht mehr helfen konnte.« »Er wurde nicht fr?her gefragt«, sagte der Geistliche, »bedenke auch, da? er nur T?rh?ter war, und als solcher hat er seine Pflicht erf?llt.« »Warum glaubst du, da? er seine Pflicht erf?llt hat?« fragte K., »er hat sie nicht erf?llt. Seine Pflicht war es vielleicht, alle Fremden abzuwehren, diesen Mann aber, f?r den der Eingang bestimmt war, h?tte er einlassen m?ssen.« »Du hast nicht genug Achtung vor der Schrift und ver?nderst die Geschichte«, sagte der Geistliche. »Die Geschichte enth?lt ?ber den Einla? ins Gesetz zwei wichtige Erkl?rungen des T?rh?ters, eine am Anfang, eine am Ende. Die eine Stelle lautet: da? er ihm jetzt den Eintritt nicht gew?hren k?nne, und die andere: dieser Eingang war nur f?r dich bestimmt. Best?nde zwischen diesen beiden Erkl?rungen ein Widerspruch, dann h?ttest du recht, und der T?rh?ter h?tte den Mann get?uscht. Nun besteht aber kein Widerspruch. Im Gegenteil, die erste Erkl?rung deutet sogar auf die zweite hin. Man k?nnte fast sagen, der T?rh?ter ging ?ber seine Pflicht hinaus, indem er dem Mann eine zuk?nftige M?glichkeit des Einlasses in Aussicht stellte. Zu jener Zeit scheint es nur seine Pflicht gewesen zu sein, den Mann abzuweisen, und tats?chlich wundern sich viele Erkl?rer der Schrift dar?ber, da? der T?rh?ter jene Andeutung ?berhaupt gemacht hat, denn er scheint die Genauigkeit zu lieben und wacht streng ?ber sein Amt. Durch viele Jahre verl??t er seinen Posten nicht und schlie?t das Tor erst ganz zuletzt, er ist sich der Wichtigkeit seines Dienstes sehr bewu?t, denn er sagt: ›Ich bin m?chtig‹, er hat Ehrfurcht vor den Vorgesetzten, denn er sagt: ›Ich bin nur der unterste T?rh?ter‹, er ist nicht geschw?tzig, denn w?hrend der vielen Jahre stellt er nur, wie es hei?t, ›teilnahmslose Fragen‹, er ist nicht bestechlich, denn er sagt ?ber ein Geschenk: ›Ich nehme es nur an, damit du nicht glaubst, etwas vers?umt zu haben‹, er ist, wo es um Pflichterf?llung geht, weder zu r?hren noch zu erbittern, denn es hei?t von dem Mann, ›er erm?det den T?rh?ter durch sein Bitten‹, schlie?lich deutet auch sein ?u?eres auf einen pedantischen Charakter hin, die gro?e Spitznase und der lange, d?nne, schwarze, tartarische Bart. Kann es einen pflichttreueren T?rh?ter geben? Nun mischen sich aber in den T?rh?ter noch andere Wesensz?ge ein, die f?r den, der Einla? verlangt, sehr g?nstig sind und welche es immerhin begreiflich machen, da? er in jener Andeutung einer zuk?nftigen M?glichkeit ?ber seine Pflicht etwas hinausgehen konnte. Es ist n?mlich nicht zu leugnen, da? er ein wenig einf?ltig und im Zusammenhang damit ein wenig eingebildet ist. Wenn auch seine ?u?erungen ?ber seine Macht und ?ber die Macht der anderen T?rh?ter und ?ber deren sogar f?r ihn unertr?glichen Anblick – ich sage, wenn auch alle diese ?u?erungen an sich richtig sein m?gen, so zeigt doch die Art, wie er diese ?u?erungen vorbringt, da? seine Auffassung durch Einfalt und ?berhebung getr?bt ist. Die Erkl?rer sagen hierzu: ›Richtiges Auffassen einer Sache und Mi?verstehen der gleichen Sache schlie?en einander nicht vollst?ndig aus.‹ Jedenfalls aber mu? man annehmen, da? jene Einfalt und ?berhebung, so geringf?gig sie sich vielleicht auch ?u?ern, doch die Bewachung des Eingangs schw?chen, es sind L?cken im Charakter des T?rh?ters. Hiezu kommt noch, da? der T?rh?ter seiner Naturanlage nach freundlich zu sein scheint, er ist durchaus nicht immer Amtsperson. Gleich in den ersten Augenblicken macht er den Spa?, da? er den Mann trotz dem ausdr?cklich aufrechterhaltenen Verbot zum Eintritt einl?dt, dann schickt er ihn nicht etwa fort, sondern gibt ihm, wie es hei?t, einen Schemel und l??t ihn seitw?rts von der T?r sich niedersetzen. Die Geduld, mit der er durch alle die Jahre die Bitten des Mannes ertr?gt, die kleinen Verh?re, die Annahme der Geschenke, die Vornehmheit, mit der er es zul??t, da? der Mann neben ihm laut den ungl?cklichen Zufall verflucht, der den T?
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